Passaus Wirtschaft setzt Prioritäten für neue Bundesregierung
IHK-Gremium formuliert in Ortenburg Forderungen an die Bundespolitik
Noch unter dem Eindruck der vergangenen Bundestagswahl haben sich Unternehmer aus Stadt und Landkreis im Gremium Passau zu einer Sitzung getroffen. Unter der Leitung des Gremiumsvorsitzenden, IHK-Präsident Thomas Leebmann, richtete das Gremium dabei den Appell nach Berlin, jetzt die Prioritäten richtig zu setzen und eine neue Bundesregierung schnell zum Arbeiten zu bringen. Die regionale Wirtschaft forderte eine Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik. Das häufigste Stichwort, das im Gremium dazu fiel, war Bürokratie. Unterschiedliche Beispiele für einengende Vorgaben oder zeitraubende Dokumentationspflichten nannte der Gastgeber der Sitzung, Dr. Thomas Wisspeintner von Micro-Epsilon in Ortenburg. Als Geschäftsführer eines hochinnovativen Unternehmens verdeutlichte er etwa mit Blick auf Vorschriften zur Arbeitszeiterfassung: „Wir haben keine Stechuhrmentalität im Unternehmen!“ Genau das werde aber verlangt und von der Politik sogar noch bestärkt. Ein anderer Punkt, der international aufgestellte Unternehmen wie Micro-Epsilon betrifft, ist die langwierige und aufwändige Bearbeitung von Ausfuhrgenehmigungen seitens der Behörden. Während er noch auf die Genehmigung warte, könnte ein internationaler Wettbewerber schon liefern, erläuterte Wisspeintner. Unternehmer aller Branchen im Gremium nannten noch mehr Beispiele. Dabei wurde deutlich, dass die Bürokratiebelastung nicht nur Zeit und Geld kostet, sondern den Wirtschaftsstandort insgesamt unattraktiv macht – sowohl für Investitionen als auch für Neugründungen oder die Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland.
Ein weiterer, wichtiger Themenblock im Gremium: Energieversorgung und Energiepreise. „Wir haben keine Energiewende, die ingenieurgetrieben ist – sondern eine, die ideologiegetrieben ist“, lautete eine Stimme aus dem Gremium. Das zeige sich gerade im Raum Passau, wo neben der Wasserkraft besonders viele Photovoltaik-Anlagen zur Stromerzeugung genutzt werden. Der Ausbau der Energieinfrastruktur mit Netzen und Speichern hält mit der Produktion allerdings nicht Schritt. Die Folge: Wenn die Sonneneinstrahlung hoch ist, werden flächendeckend Photovoltaikanlagen abgeschaltet, Energieproduktion geht verloren während gleichzeitig neue Kosten entstehen. Dass das ein Problem nicht nur für die Energiewirtschaft selbst oder für die energieintensive Industrie ist, belegte der Austausch im Gremium. So kritisierte die Inhaberin einer kleineren Agentur ebenso wie diese Unternehmen hohe Energiekosten in ihrem Betrieb. Ein Vertreter aus dem Maschinenbau brachte es schließlich auf den Punkt, zugespitzt auf seine eigene Branche: „Die Politik versteht nicht, dass Deutschland Schlusslicht ist, und zwar bedingt durch die Summe der hohen Kosten – Energiekosten, Arbeitskosten, Bürokratiekosten. Wir stehen im internationalen Wettbewerb, aber die Politik in Deutschland diskutiert unter der nationalen Käseglocke.“ Für IHK-Präsident Thomas Leebmann war daher auch klar: Eine neue Bundesregierung muss unbedingt den Mittelstand und seine Forderungen in den Blick nehmen, um den Wirtschaftsstandort wieder wettbewerbsfähig zu machen. Dafür werde sich die IHK in der Region wie auf Bundesebene stark machen.
Ergänzt wurde das politische Programm im Gremium durch Fachliches und Praktisches. So stellte Professor Stephan Prechtl, Geschäftsführer der Stadtwerke Passau und selbst Gremiumsmitglied, neue Möglichkeiten und Anwendungen mit „LoRaWAN“ vor, einer ebenso preiswerten wie sicheren Funktechnologie, um kleine Datenmengen über große Distanzen übertragen zu können. Das eröffnet viele Möglichkeiten für Betriebe, die Stadtwerke haben etwa beispielhaft ein Funknetz über das Stadtgebiet von Passau gelegt und nutzen dies unter anderem für die Messung und Kontrolle bei Heizen und Strom. Einen Blick in die unternehmerische Praxis gewährte schließlich Thomas Wisspeintner dem Gremium bei einem kurzen Rundgang durch sein Unternehmen. Micro-Epsilon gehört mit 1.600 Mitarbeitern weltweit – davon über 600 am Hauptsitz in Ortenburg – zu den international führenden Anbietern hochpräziser Sensoren und Messsystemen für die Industrie. Sensoren und Bauteile aus Ortenburg kommen daher weltweit in so unterschiedlichen Bereichen wie Automobil- und Luftfahrtindustrie, in der Batteriefertigung, der Halbleiterproduktion oder der Satellitenkommunikation zum Einsatz.